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„Kinder und Jugendliche seelisch stark machen“

Sozial benachteiligte Schülerinnen und Schüler leiden in der Corona-Zeit besonders. Annemarie Böse, ehrenamtliche Versichertenvertreterin im Verwaltungsrat der DAK-Gesundheit, erklärt, wie die Ersatzkassen ihnen zu helfen versuchen.

Frau Böse, die von der Pandemie erzwungenen Einschränkungen haben allen Kindern und Jugendlichen in Deutschland viel abverlangt. Ist es da überhaupt gerechtfertigt zu sagen: Bestimmte Gruppen von Minderjährigen leiden stärker als andere?

Ja, es ist tatsächlich so. Um die Situation realistisch zu beurteilen, haben wir die aktuellen Ergebnisse des Präventionsradars ausgewertet. Das ist eine bundesweit einmalige Schulbefragung unserer Kasse, die das IFT-Nord in Kiel durchführt. Für die sechste Welle im Schuljahr 2021/2022 hat das Institut rund 18.000 Jungen und Mädchen der Klassenstufen 5 bis 10 in insgesamt 13 Bundesländern befragt. Die Ergebnisse haben wir dann mit den Ergebnissen aus den Vorjahren verglichen. Dabei ist herausgekommen, dass sozial benachteiligte Schülerinnen und Schüler von negativen Veränderungen deutlich stärker betroffen sind als andere Vergleichsgruppen. Insbesondere bei der Lebenszufriedenheit, dem Gesundheitszustand und dem psychischen Wohlbefinden wird das deutlich.

Können Sie das mit Zahlen untermauern?

29 Prozent aller Schulkinder berichten, dass es ihnen gesundheitlich schlechter geht als vor der Pandemie. Bei den sozial benachteiligten Kindern und Jugendlichen sind es sogar 38 Prozent. Allein 24 Prozent der Kinder und Jugendlichen klagen über häufige Kopf-, Bauch- oder Rückenschmerzen. Bei Kindern in Familien mit einem niedrigen Sozialstatus sind es 38 Prozent. Im wiederholten Querschnitt zeigt sich, dass durch die Pandemie in allen untersuchten Gruppen beim Schmerzerleben eine deutliche Verschlechterung eingetreten ist. Bei sozial benachteiligten Schulkindern macht sich dies jedoch am stärksten bemerkbar: Bei ihnen liegt der Anteil der Betroffenen aktuell um 48 Prozent über dem Vor-Corona-Niveau. Kinderärztinnen und Kinderärzte bestätigen die Ergebnisse. Sie berichten aus ihren Praxen von immer mehr Fällen von Adipositas, psychosomatischen Beschwerden und psychischen Problemen: Erschöpfung, fehlende Motivation, depressive Störungen, das Gefühl von Einsamkeit bei den Kindern. Kinder und Jugendliche erleben während der Pandemie ein deutliches Ausmaß an psychischen Belastungen und Einbußen bei der Lebensqualität. Familien mit einem niedrigen sozialen Status verfügen über weniger Ressourcen zur Bewältigung und benötigen Unterstützungsangebote.

Welche Rolle fällt dabei den Krankenkassen zu? Was unternimmt die DAK-Gesundheit?

Wir als Versichertenvertreter setzen uns dafür ein, dass unsere Kasse spezielle Präventionsangebote entwickelt. Um Jugendliche seelisch stark zu machen, hat unsere Kasse etwa das Präventionsprogramm „DAK Smart4me“ aufgesetzt. Über dieses kostenlose Online-Coaching bekommen Jugendliche einen virtuellen Freund an die Seite gestellt, der sie auf dem Weg zu einem gesunden Umgang mit Stress oder Ängsten begleitet. Zudem engagiert sich unsere Kasse mit der Kampagne „fit4future“ für eine gesunden Lebenswelt Schule. Seit 2020 gibt es das Programm in modifizierter Form auch für drei- bis sechsjährige Kita-Kinder. Das sind Beispiele für die Präventionsbereiche, in denen die DAK-Gesundheit gezielt etwas unternimmt. Wir möchten mit unseren Studienergebnissen darüber hinaus verstärkt in den politischen Dialog eintreten. Ich denke, wir benötigen eine konzertierte Aktion der Gesundheit- und Familienpolitik in Bund und Ländern, um die Kinder- und Jugendgesundheit zu stärken.