Das Ehrenamt in Zeiten von Corona
Mein Alltag mit Corona: Marion von Wartenberg (DAK-Gesundheit)
„Zunahme psychischer Erkrankungen in Corona-Zeiten ist ein Alarmsignal“
Wie erleben die Selbstverwalterinnen und Selbstverwalter die Pandemie? Wie erfüllen die Sozialparlamente der Rentenversicherung und der Krankenkassen unter Corona-Bedingungen ihre Aufgaben? Marion von Wartenberg ist als ehrenamtliche Versichertenvertreterin Mitglied des Verwaltungsrates der DAK-Gesundheit. Sie richtet die Aufmerksamkeit auf die Zunahme von psychischen Erkrankungen während der Pandemie: Noch nie gab es wegen Depressionen und ähnlichen Diagnosen so viele Ausfalltage im Job wie jetzt, berichtet sie.

Frau von Wartenberg, wie steht es nach gut einem Jahr Pandemie um die psychische Gesundheit in Deutschland?
Nicht wirklich gut. Noch nie haben die Ärzte wegen psychischer Erkrankungen ihre Patientinnen und Patienten so lange arbeitsunfähig schreiben müssen wie im Corona-Jahr 2020. Das Berliner IGES Institut hat für den Psychreport unserer Krankenkasse die entsprechenden Daten unserer Versicherten ausgewertet, und dabei kam heraus, dass auf 100 Beschäftigte im vergangenen Jahr im Durchschnitt 265 Fehltage wegen einer solchen Erkrankung kamen. Im Vergleich zu 2010 bedeutet das eine Zunahme um 56 Prozent!
Häufigste Diagnose war mit 106 Fehltagen je 100 Versicherte weiterhin Depression. Stark zugenommen haben die sogenannten Anpassungsstörungen. Darunter versteht man zum Beispiel, wenn sich infolge eines Todesfalls in der Familie oder im Freundeskreis der Gemütszustand nachhaltig verschlechtert. Diese Störungen waren für 64 Fehltage pro hundert Beschäftigte verantwortlich – acht Tage mehr als noch ein Jahr zuvor.
Im Durchschnitt dauert eine Krankschreibung wegen psychischer Erkrankungen inzwischen 39 Tage, auch das ist ein neuer Höchststand. Die Analyse zeigt also ganz eindeutig, wie gerade Menschen mit psychischen Problemen unter den Einschränkungen und Belastungen während der Pandemie leiden. Für mich als ehrenamtliche Versichertenvertreterin ist das ein Alarmsignal, und ich finde es ganz wichtig, dass meine Kasse mit einer Untersuchung wie dem Psychreport darauf aufmerksam macht.
Sind Frauen und Männer gleichermaßen betroffen?
Nein, da gibt es einen großen Unterschied. Es waren vor allem die erwerbstätigen Frauen – auch ganz junge Frauen in der Altersgruppe zwischen 15 und 19 Jahren übrigens! –, die im vergangenen Jahr zusätzliche Krankschreibungen wegen psychischer Erkrankungen in Anspruch nehmen mussten. Um das richtig einordnen zu können, muss man wissen, dass Frauen auch in der Vergangenheit regelmäßig mehr Fehltage wegen psychischer Probleme verbuchten als Männer. 2019, also im letzten Jahr vor Ausbruch der Pandemie, fehlten die bei uns in der DAK-Gesundheit versicherten Arbeitnehmerinnen im Schnitt an 3,3 Tagen wegen einer psychischen Erkrankung. Im Corona-Jahr 2020 waren es dann sogar 3,4 Tage. Diese weitere Zunahme kann aber eigentlich niemanden verwundern. Denn dass der psychische Druck noch wächst, und dass die Erschöpfungssymptome noch zunehmen, wenn zu der sowieso vorhandenen Doppelbelastung von Frauen durch Beruf und Familie auch noch Pandemie-Umstände wie das Homeschooling hinzukommen, ist ja klar.
Bei den erwerbstätigen Männern haben sich dagegen im vergangenen Jahr nur minimale Veränderungen gezeigt. Sie fehlten sowohl 2019 als auch 2020 im Durchschnitt 2,0 Tage im Job wegen einer psychischen Erkrankung. Wir sollten uns aber nicht darauf verlassen, dass sie Corona einfach besser „wegstecken“ können. Genauso gut ist es denkbar, dass sie genauso wie die Frauen leiden und nur den Gang zum Arzt scheuen. Es ist ja hinlänglich bekannt, dass Frauen mit Beschwerden anders umgehen als Männer: Sie sprechen darüber, sie holen sich Hilfe, sie haben eher gelernt, auf ihren Körper und ihre Psyche zu achten. Männer reagieren anders, viele ignorieren das Problem, und manche flüchten sogar in ein Suchtverhalten.
Was können die Krankenkassen tun, um die psychische Gesundheit ihrer Versicherten zu stärken?
Unser Ziel muss es natürlich sein, den Trend der letzten Jahre, der durch Corona noch verstärkt wurde, zu stoppen. Dafür brauchen die Betroffenen passende Angebote und Versorgungskonzepte. Gerade in Krisenzeiten wie jetzt während der Pandemie ist das ganz wichtig. Viele Krankenkassen haben für Menschen mit Anpassungsstörungen, aber auch mit Depressionen und Ängsten besondere Versorgungsangebote. Unsere Versicherten bei der DAK-Gesundheit können zum Beispiel das Angebot „Veovita“ nutzen. Über Veovita bekommen sie schnell Hilfe – ohne Wartezeiten und komplizierte Terminabsprachen.