Das Ehrenamt in Zeiten von Corona
Mein Alltag mit Corona: Anke Fritz (KKH)
„Mit der Impfmüdigkeit dürfen wir uns nicht abfinden“
Wie erleben die Selbstverwalterinnen und Selbstverwalter die Pandemie? Welche Schlüsse ziehen sie für ihre Arbeit in den Sozialparlamenten der Rentenversicherung und der Krankenkassen? Anke Fritz ist Versichertenvertreterin im Verwaltungsrat der KKH und Direktorin einer Rehabilitationsklinik für psychische und psychiatrische Erkrankungen in Chemnitz/Rabenstein. Sie fordert gerade jetzt mehr gesundheitliche Aufklärung, um der verbreiteten Impfmüdigkeit in Deutschland entgegenzutreten.

Frau Fritz, nach fast einem halben Jahr Corona-Ausnahmesituation: Wie läuft die Arbeit bei Ihnen in der Klinik?
Wir versuchen, einen möglichst normalen Klinikablauf zu gewährleisten. Gerade wenn Menschen mit psychischen Erkrankungen in Behandlung gehen, ist es ja ganz wichtig, für sie eine normale Tagesstruktur vorzuhalten. Darum bemühen wir uns, auch wenn die Hygienebestimmungen natürlich eingehalten werden müssen. Sport führen wir weiterhin eher im Freien durch, und auch im Speisesaal und in den Seminarräumen versuchen wir, stets den Mindestabstand einzuhalten. Das gelingt uns alles recht gut, wir hatten bis zum heutigen Tag noch keine Corona-Infektionen bei uns im Haus. Anders als im ersten Halbjahr haben wir inzwischen wieder hohe Belegungszahlen. Die Nachfrage nach der Behandlung von psychischen Erkrankungen ist sehr groß, durch die Pandemie hat sich eine Menge aufgestaut. Das arbeiten wir jetzt Schritt für Schritt ab.
Wenn Sie eine Zwischenbilanz ziehen nach sechs Monaten Pandemie: Was hat Sie überrascht in dieser Zeit? Womit haben Sie möglicherweise nicht gerechnet?
Überrascht, aber im negativen Sinne, haben mich einige Personen, die mit Verschwörungstheorien umherziehen – auch in meinem unmittelbaren Umfeld. Gerade in einer Klinik für Patienten mit psychischen Erkrankungen braucht es Stabilität, Klarheit und Ernsthaftigkeit im Umgang mit der Situation, das muss ich nicht lange erklären. Menschen mit psychischen Problemen sind mental oft besonders anfällig. Wenn sie aber in Kontakt geraten mit Leuten, die ihnen sagen, mit der Pandemie verhalte es sich ganz anders, als überall berichtet wird, dann werden sie noch mehr verunsichert. Das finde ich einfach verantwortungslos. Ich will es ganz deutlich sagen: Wenn sogar Personen mit einem akademischen Hintergrund, Leute also, die es besser wissen müssten, trotzdem diese irren Annahmen verbreiten, dann ist das für mich überraschend, erschreckend und enttäuschend.
Worin bestehen aus Ihrer Sicht die nächsten Aufgaben, die nächsten Herausforderungen für die Krankenkassen und insbesondere für die Selbstverwaltung der Kassen?
An dieser Stelle muss ich wiederholen, was ich schon zu Beginn der Pandemie gesagt habe: Wir müssen dafür sorgen, dass wirklich jedem Versicherten die Behandlung ermöglicht wird, die er benötigt, und dass es dabei keine Blockaden gibt. Es gibt nicht nur Corona-Patienten. Menschen leiden auch an anderen Krankheiten. Es kann einfach nicht sein, dass jemand bis zu einem halben Jahr warten muss, bis seine Augen-Operation stattfinden kann. All die geplanten und wegen der Pandemie aufgeschobenen OPs müssen jetzt nachgeholt werden. Darauf müssen wir in den Krankenkassen noch mehr den Fokus legen. Ärzte oder Klinikpersonal in Kurzarbeit zu schicken, war die falsche Botschaft, glaube ich.
Noch ein zweiter Punkt ist mir aktuell besonders wichtig. Es geht um das Impfverhalten. Die Menschen in Deutschland sind impfmüde. Das sehen wir Jahr für Jahr daran, wie wenige zum Beispiel die Möglichkeit der Grippeschutzimpfung wahrnehmen. Wir dürfen uns damit nicht abfinden, denn angesichts von Corona sollten wir alles tun, um zusätzliche Belastungen durch andere Erkrankungen zu vermeiden. Wenn wir wollen, dass sich die Menschen gegen Corona impfen lassen, sobald ein Impfstoff verfügbar ist, müssen wir als Krankenkassen schon jetzt mit der Aufklärung beginnen. Darauf müssen wir als Selbstverwaltung den Finger legen.
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