Drei Fragen an Silke Reinhold zur Häufigkeit von Arztbesuchen
„Der Abstand zwischen Frauen und Männern verringert sich“
In Deutschland haben im vergangenen Jahr so viele Männer eine Arztpraxis aufgesucht wie seit Jahren nicht. Das ist ein gutes Zeichen, sagt Versichertenvertreterin Silke Reinhold, Mitglied des ehrenamtlichen Verwaltungsrates der KKH.

Frau Reinhold, in der Vergangenheit haben Frauen deutlich häufiger eine Ärztin oder einen Arzt kontaktiert als Männer. Ändert sich das gerade?
Es gibt zumindest Signale dafür, dass sich etwas bewegt. Das zeigen Zahlen aus der jüngsten Datenanalyse unserer Krankenkasse. Demnach haben 2021 bundesweit 87,2 Prozent der bei uns in der KKH versicherten Männer mindestens einmal ambulante Versorgung in Anspruch genommen – egal ob beim Allgemein- oder Fachmediziner. Ein Jahr zuvor waren es noch knapp 85 Prozent, 2017 nur 83,8 Prozent. Sie sehen, da zeichnet sich allmählich ein echter Trend ab.
Nun könnte man annehmen, das habe etwas mit der Corona-Pandemie zu tun. Doch wenn die Zunahme allein auf COVID-Erkrankungen zurückzuführen wäre, müsste sich ein ähnlich starker Trend auch bei den bei uns versicherten Frauen zeigen. Und das ist nicht der Fall! Bei ihnen gab es lediglich einen geringen Anstieg der Praxisbesuche: 2017 gingen 93,6 Prozent aller Frauen mindestens einmal zu Ärztin oder Arzt, 2021 waren es 94,4 Prozent, also nicht einmal ein Prozentpunkt mehr. Insgesamt verringert sich der Abstand zwischen Frauen und Männern.
Verschwunden ist er aber noch lange nicht.
Völlig richtig, und wir dürfen auch nicht vergessen, dass nicht nur mehr Frauen zu einer Ärztin oder zu einem Arzt gehen als Männer – sie tun es auch öfter: Laut KKH-Daten nehmen Frauen im Schnitt zehnmal im Jahr eine ambulante ärztliche Versorgung in Anspruch, Männer hingegen nur sechsmal. Einer der Gründe für diese Geschlechter-Schere sind die Besuche vorwiegend von jüngeren Frauen in gynäkologischen Praxen, sei es zur Früherkennung von Gebärmutterhalskrebs, zur Verhütungsberatung oder in der Schwangerschaftsvorsorge. Es ist nur logisch, dass sich das in der Gesamtzahl der Arztbesuche widerspiegelt. Bis zu einem Alter von 14 Jahren sind übrigens nahezu gleich viele Mädchen und Jungen beim Arzt anzutreffen, und auch ab dem Rentenalter gleichen sich die Zahlen wieder an, wie oft ambulante ärztliche Versorgung von Frauen und Männern in Anspruch genommen wird.
Als gewählte Selbstverwalterin im Sozialparlament der KKH sind Sie für eine gute Versorgung der Versicherten zuständig, aber auch für einen effizienten Einsatz der Beitragsgelder. Ist es aus Ihrer Sicht eine gute oder eine schlechte Nachricht, dass Männer jetzt häufiger eine Praxis aufsuchen als früher?
Eine gute Nachricht, das ist für mich gar keine Frage. Natürlich ist nicht wegen jeder Kleinigkeit ein Arztbesuch notwendig. Aber wenn wir eine Krankheit verschleppen, dauert die Genesung oft umso länger. Die beste Gesundheitsfürsorge ist und bleibt die Prävention! Regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen können Krankheiten vorbeugen oder zumindest dafür sorgen, dass eine Erkrankung rechtzeitig erkannt wird und eine Therapie frühzeitig eingeleitet wird. Wenn ein Arzt einmal mehr als unbedingt nötig aufgesucht wird, ist das nicht weiter schlimm. Ein Arztbesuch zu wenig aber kann im schlimmsten Fall lebensbedrohliche Folgen haben, zum Beispiel wenn es um die Erkennung von Krebs geht. Wenn die häufigeren Praxistermine von Männern bedeuten, dass auch die bisherigen Arztmuffel unter ihnen begreifen, wie wichtig Vorsorge ist, dann kann ich das als Versichertenvertreterin nur begrüßen.