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„Jeder Vierte über 50 daddelt fast täglich“

Zocken am Computer oder Smartphone gehören für Millionen Deutsche zu den liebsten Hobbys. Eine forsa-Umfrage im Auftrag der KKH Kaufmännische Krankenkasse zeigt, dass durchaus nicht nur junge Menschen damit viel Zeit verbringen. Michael Witte, Versichertenvertreter im Sozialparlament der KKH, erklärt die Risiken. Er findet aber auch gute Seiten am Computerspiel.

Herr Witte, Computerspiele werden gewöhnlich mit sehr jungen Leuten assoziiert. Stimmt dieses Bild eigentlich?

Nur in Teilen. Unsere Umfrage hat ergeben, dass von den 16- bis 29-Jährigen 15 Prozent praktisch jeden Tag an PC oder Fernseher, Tablet oder Smartphone sitzen, um zu spielen. Das ist nicht wenig. Mit dem Alter werden es jedoch noch mehr und nicht etwa weniger, die gar nicht mehr aufhören wollen zu zocken: Rund 20 Prozent der 30- bis 49-Jährigen und sogar rund 23 Prozent der 50- bis 69-Jährigen spielen fast jeden Tag. Das hat auch uns als Krankenkasse ziemlich überrascht.

Bei denen, die eher gelegentlich oder selten spielen, verschiebt sich dann der Altersschnitt. Nur 36 Prozent der Unter-30-Jährigen, aber 44 Prozent der Menschen ab 50 geben an, sie hätten noch nie gezockt. Doch wie auch immer: Es gibt offenbar eine regelrechte Generation der „Silver Gamer“, die als junge Leute miterlebt haben, wie die ersten PC-Spiele aufkamen, und jetzt als ältere Menschen die alte Leidenschaft wiederentdecken. Und sie halten sich beileibe nicht nur an Gedächtnis- oder Glücksspiele: Haben sie sich erst einmal mit der Technik vertraut gemacht, stürzen sie sich auch auf Rollenspiele wie World of Warcraft oder Shooter- und Strategiespiele. Das macht uns als Krankenkasse durchaus Sorgen, denn diese Spiele können besonders fesseln und haben damit auch ein besonderes Suchtpotenzial.

Wie zeigt es sich, wenn der Spaß am Computerspiel zur Sucht wird?

Es ist schwer, hier eine klare Grenze zu ziehen, aber es gibt klare Alarmzeichen für eine Abhängigkeit. Wer die Kontrolle darüber verliert, wie häufig und wie lange er spielt; wer für das Spiel alles andere zurückstellt und auch bei negativen Konsequenzen weitermacht; wer deshalb seine Familie und Freunde, die Schule oder die Arbeit vernachlässigt; wer sich wegen des ständigen Spielens schlecht ernährt, kaum noch schläft, Hobbys und sportliche Aktivitäten sausen lässt: Wer nicht nur das eine oder andere, sondern eine ganze Reihe dieser Signale aussendet, bei dem ist der Verdacht gut begründet, dass hier ein Fall von tatsächlicher Computersucht vorliegt.

Gegen Computerspiele im Allgemeinen will ich damit überhaupt nichts sagen. Richtig genutzt, können sie auch positive Effekte haben, gerade in Corona-Zeiten: Wer mit anderen Leuten spielt, bleibt im Kontakt und schafft sich trotz Abstand ein gemeinsames Erlebnis. Wer allerdings jeden Tag und dann noch mehrere Stunden am Stück spielt, der setzt seine Gesundheit aufs Spiel.

Was können Sie als Selbstverwaltung in der KKH dagegen tun?

Unsere Möglichkeiten sind begrenzt, aber eines können wir tun: Wir müssen mit den Mitteln unserer Kasse versuchen aufzuklären und zu informieren. Wir wissen, dass gerade Depressionen oder soziale Angststörungen, aber auch Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörungen (ADHS) die Auslöser von Spielsucht sein können. Spielsucht kann wiederum Erkrankungen wie Fettleibigkeit, verstärkten Alkohol- und Nikotinkonsum, Herz-Kreislauf-Beschwerden, Schlafstörungen, Rückenschmerzen und Augenprobleme verursachen. Darüber muss man öffentlich reden, in aller Sachlichkeit, aber auch in aller Eindringlichkeit. Wir als Krankenkasse haben gerade eine neue Informationsbroschüre (KKH) rund um das Thema Sucht herausgebracht. Sie kann auch denen Orientierung geben, die bei Familienangehörigen oder Freunden Suchtverhalten feststellen. Menschen, die allein nicht mehr vom Spielen loskommen, raten wir, sich Hilfe zu suchen. Suchtberatungsstellen und Selbsthilfegruppen können ihnen eine wichtige Stütze sein.