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Ost und West, Frauen und Männer: Was uns die Krankenstatistik 2019 zeigt

Im Jahr 2019 lag der Krankenstand in deutschen Betrieben bei fünf Prozent. Das ergab eine Auswertung der KKH. In Hamburg und Baden-Württemberg fehlten Beschäftigte im Durchschnitt 4,1 Prozent, in Sachsen-Anhalt hingegen 6,4 Prozent ihrer Soll-Arbeitszeit. Anke Fritz, Klinikdirektorin aus dem sächsischen Limbach-Oberfrohna und Versichertenvertreterin im Sozialparlament der KKH, ordnet diese und andere Zahlen aus der Zeit vor Corona ein.

Frau Fritz, wie erklären Sie sich die erheblichen regionalen Unterschiede, was die Krankschreibungen betrifft?

Da können viele Faktoren eine Rolle spielen. Ein Grund dürfte zum Beispiel die Jobstruktur in den jeweiligen Regionen sein. Es liegt beispielsweise nahe, dass Menschen im Durchschnitt häufiger krank werden, wenn sie körperlich anstrengende Tätigkeiten erledigen oder bei Wind und Wetter unter freiem Himmel arbeiten. Auch die Altersstruktur hat einen Einfluss: Die ostdeutschen Länder, aus denen in der jüngeren Vergangenheit so viele junge und damit tendenziell gesündere Beschäftigte und Arbeitsuchende abgewandert sind, werden in unserer Erhebung vielleicht noch längere Zeit anders dastehen als andere Regionen, in denen es weniger ältere Menschen gibt. Es wäre auf jeden Fall ein Trugschluss, aus unserer Statistik abzuleiten, dass die Baden-Württemberger und die Hamburger einfach gesünder leben als alle anderen oder dass sie nicht so schnell zum Arzt gehen, wenn sie sich unwohl fühlen. So einfach ist die Sache nicht.

Wenn wir vom Sonderfall Corona ausnahmsweise absehen: Wie hat sich der Krankenstand über die letzten Jahre hinweg entwickelt? Und welches waren die häufigsten Krankheitsursachen?

Nach unseren Zahlen ist der Krankenstand in den vergangenen Jahren weitgehend konstant geblieben. Mit fünf Prozent lag er 2019 genauso hoch wie im Jahr zuvor, 2015 waren es 4,8 Prozent. Zugenommen hat die Dauer der einzelnen Krankschreibungen: Wer im vergangenen Jahr arbeitsunfähig geschrieben wurde, fiel im Durchschnitt 15 Tage aus – im Vergleich zu 2015 ist das ein Plus 1,2 Tagen. Am längsten fielen Arbeitnehmer wegen der Diagnose Krebs aus – durchschnittlich 68,6 Tage – und wegen psychischer Leiden, nämlich 40,3 Tage. Die häufigsten Krankschreibungen gab es aber wieder wegen Erkältungen, Grippe und Beschwerden des Muskel-Skelett-Systems wie etwa Rückenschmerzen sowie wegen Magen-Darm-Erkrankungen.

Für das laufende Jahr zeichnet sich durch COVID-19 ein anderes Bild ab: Allein im März haben sich zwei Prozent der Arbeitnehmer aufgrund von Husten, Schnupfen und ähnlichen Symptomen krankschreiben lassen – fast doppelt so viele wie im März 2019. Im Mai und Juni 2020 lag der Krankenstand bei den KKH-Versicherten dagegen niedriger als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. In welchem Maße sich die Pandemie am Ende in der Jahresstatistik niederschlagen wird, bleibt also abzuwarten. Im Einzelnen lässt sich das jetzt noch nicht sagen.

Und wie steht es um die Krankschreibungen von Frauen und von Männern? Gibt es dort immer noch das große Gefälle?

Ja, der Unterschied ist unverändert groß: Frauen waren 2019 im Durchschnitt 5,6 Prozent ihrer Soll-Arbeitszeit krankgeschrieben, Männer nur 4,4 Prozent. Eine ganz wesentliche Ursache dafür ist natürlich der Umstand, dass auch heute noch sehr viel häufiger die Mütter und nicht die Väter zu Hause bleiben, wenn ein Kind krank ist und betreut werden muss. Da geht es also gar nicht um Gesundheit, sondern um gesellschaftliche Fragen. Auch gesundheitliche Belastungen während der Schwangerschaft betreffen nun mal ausschließlich Frauen. Tatsache ist aber auch, dass sich viele Männer weniger um ihre Gesundheit kümmern, seltener den Arzt aufsuchen und dann entsprechend seltener die eigentlich nötige Auszeit verordnet bekommen. Auch die Angebote der Krankenkassen zur Krebsvorsorge werden von Frauen deutlich häufiger genutzt, Männer sind in dieser Beziehung weniger konsequent. Sie tragen dann das Risiko, wenn Erkrankungen nicht rechtzeitig erkannt und behandelt werden. Insofern ist die Krankenstatistik für uns als Selbstverwalter in den Krankenkassen auch ein Auftrag: Gesundheitsaufklärung und Prävention sind ganz, ganz wichtig, und wir dürfen in unseren Anstrengungen auf keinen Fall nachlassen.