BARMER-Arztreport 2019
Volksleiden Reizdarmsyndrom oft falsch behandelt
06.03.2019
Bei rund einer Million Menschen in Deutschland wurde im Jahr 2017 die Diagnose Reizdarmsyndrom gestellt. Befragungen legen nahe, dass es tatsächlich noch weit mehr Betroffene gibt. Statt einer ganzheitlichen Therapie der komplexen Erkrankung droht vielen eine Überdiagnostik mit bildgebenden Verfahren sowie die Verordnung von Medikamenten mit zweifelhaftem Nutzen. Das geht aus dem BARMER-Arztreport 2019 hervor.
Odyssee bis zur klaren Diagnose
Besonderes Augenmerk richtet der Report auf den viel zu häufigen Einsatz bildgebender Verfahren. Gerade Computertomographie (CT) sollte aufgrund der hohen Strahlenbelastung nur zurückhaltend eingesetzt werden. Trotzdem hätten 9,2 Prozent der ambulanten und 5,6 Prozent der Fälle im Krankenhaus im zeitlichen Umfeld der Diagnose eine CT-Untersuchung erhalten. Ein ähnliches Bild zeigte die Magnetresonanztomografie (MRT), die sich ebenso wenig für die Diagnostik des Reizdarms eignete. Trotzdem hätten rund um die Diagnose ambulant 17,1 Prozent und im Krankenhaus 3,2 Prozent der Fälle ein MRT erhalten.
Einsatz von Magensäureblockern kann abhängig machen
In der üblichen Therapie der Betroffenen gibt es laut Arztreport verschiedene zweifelhafte Ansätze, die nicht frei von Risiken sind. Demnach würden den Patientinnen und Patienten häufig Protonenpumpenhemmer, umgangssprachlich Magensäureblocker, verordnet. 38,6 Prozent, also rund 400.000 Betroffene, erhielten diese Medikamente. Aber auch opioidhaltige Schmerzmittel würden vergleichsweise häufig verschrieben und zwar an rund 100.000 Patienten und damit immerhin 44 Prozent mehr als in einer Vergleichsgruppe. Hier sei nicht nur die Wirkung fraglich, sondern auch das Risiko einer Medikamentenabhängigkeit gegeben.
Karl-Heinz Plaumann, Mitglied des BARMER-Verwaltungsrates und Vorsitzender des Ausschusses für Verträge und Versorgung äußert sich zu den Ergebnissen:
„Es ist ein multidisziplinärer Ansatz notwendig, um das Reizdarmsyndrom erfolgreich zu behandeln. Daher gehört zu einer Therapie ein ganzheitlicher Blick auf den Körper, der die Psyche ebenso einbezieht wie die Themen Ernährung und Bewegung. Hierfür setzen wir uns als Selbstverwalterinnen und Selbstverwalter ein.“