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Selbstverwaltung besorgt über Suchtgefahr

21.07.2022

Besonders starke Schmerzmittel sind medizinisch dafür vorgesehen, Patientinnen und Patienten in tatsächlich besonders schweren Fällen wie beispielsweise in der Krebstherapie oder in Hospizen Erleichterung zu verschaffen. Der Gesundheitsreport 2022 der hkk in Kooperation mit der Universität Bremen zeigt jedoch auf, dass eine andere Praxis um sich greift: Opioide wie Morphin, das hundert Mal stärkere Fentanyl und Tilidin werden in Deutschland mittlerweile überwiegend Patientinnen und Patienten mit Rückenbeschwerden und Arthrose verordnet, obwohl das bei diesen Erkrankungen nur in Einzelfällen erfolgen sollte. Die ehrenamtliche Selbstverwaltung der hkk verfolgt diese Entwicklung mit Sorge. „Es ist nicht im Sinne der Versicherten, wenn derart starke Medikamente derart häufig verschrieben werden, wie es offenkundig geschieht“, sagt Sandra Speckert, Mitglied des Verwaltungsrates der Kasse. „Schmerzmittel bergen eine Suchtgefahr, wie wir alle wissen. Sie müssen daher sehr verantwortungsvoll eingesetzt werden.“

Laut ärztlichen Leitlinien sollen starke Opioide nur dann verordnet werden, wenn alle anderen therapeutischen Optionen erfolglos geblieben sind. Erst im April dieses Jahres warnte die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft, dass die wiederholte Anwendung von Fentanyl – zum Beispiel als Nasenspray oder Lutschtablette – eine Opioid-Abhängigkeit auslösen kann. Falschanwendung oder Überdosierung könnten sogar zum Tod führen. Insbesondere chronische Schmerzen sollten daher immer zunächst mit Heil- und Hilfsmitteln wie Ergo- oder Physiotherapie und gegebenenfalls zusätzlich mit opioidfreien Schmerzmitteln behandelt werden. „Unser Gesundheitsreport lässt jedoch erhebliche Zweifel aufkommen, dass diese Optionen wirklich ausgeschöpft werden“, erklärt Sandra Speckert. „Vielen erscheint offenbar der Griff zu Schmerzmitteln als der einfachere Weg.“

Bei der Anwendung von Opioiden stünden die Ärztinnen und Ärzte in der Verantwortung, regelmäßig die Dosis zu überprüfen und auf Symptome einer möglichen Abhängigkeit zu achten, fordert die Versichertenvertreterin. „Wir wissen aus anderen Studien, dass die zunehmende Verordnung von Opioiden bei chronischen Schmerzen vor allem für 30- bis 40–Jährige zum Problem geworden ist und zu mehr stationären Suchtbehandlungen geführt hat. Dafür muss man sowohl die Ärzteschaft als auch die Patientinnen und Patienten sensibilisieren. Wir müssen über die Suchtgefahr offen reden.“

Auch die Krankenkassen stünden in der Pflicht, Aufklärung und Suchtprävention zu verstärken, sagt Sandra Speckert. „Wir als hkk unterstützen dafür Projekte wie ,Color Your Life‘ oder den Kreativwettbewerb ,Ausweg gesucht‘, um besonders Jugendliche gezielt anzusprechen. Unabhängig davon übernehmen wir als Kasse im Bedarfsfall die Kosten für digitale Gesundheits-Apps wie zum Beispiel ViVira und HelloBetter, um Schmerzpatienten zu helfen, und wir arbeiten an einem komplexen Behandlungsprogramm für chronische Rückenschmerzen.“

Opioide sollten wirklich nur dort zum Einsatz kommen, wo es medizinisch angebracht ist, mahnt Sandra Speckert. „Wir dürfen nicht vergessen, dass starke Schmerzmittel bei langfristiger und unkontrollierter Anwendung viel Schaden anrichten können. Davor wollen wir unsere Versicherten schützen.“