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Früher oder später kommen sie alle

30.04.2019

Sie hören aufregende Lebensgeschichten, kennen ihre Nachbarschaft und sind unverzichtbare Helfer in Sachen Rente: Denise Pissors und Hans-Joachim Picha sind zwei von vielen Versichertenberaterinnen und Versichertenberatern der Deutschen Rentenversicherung Bund

Es war auf einem Bahnhof irgendwo im Brandenburgischen, vor einem halben Jahrhundert. Da stand sie plötzlich, mit einem Kind an der Hand und einem großen Koffer, den sie kaum heben konnte. Irgendetwas an ihr zog ihn an, vielleicht die Art, wie sie ihre Nase rümpfte, als sie den Busfahrplan betrachtete. Der nächste Bus in ihr Heimatdorf ging erst in einer Stunde. Er bot ihr seine Hilfe an – sehr höflich und in wohlgesetzten Worten, wie man das damals bei einer Dame machte. Dann packte er ihren Koffer, hob ihn mit Schwung in seinen Wagen und fuhr die junge Frau und ihr Kind kurzerhand viele Kilometer über Land in ihr Zuhause. Kurz darauf folgte ihre Einladung zum Kaffee, und dann wurde etwas daraus, das sich anfühlte wie Fliegen, und es war ein wunderbar sicherer, langer Flug.

Nun sitzt er in Ahrensfelde bei Berlin und erzählt der Versichertenberaterin Denise Pissors diese Geschichte. Der Flug ist zu Ende, seine geliebte Frau ist gestorben. Gemeinsam mit der ehrenamtlichen Helferin der Deutschen Rentenversicherung Bund füllt er den Antrag auf Hinterbliebenenrente aus. „Ich fand es sehr bewegend, welche menschliche Dimension sich hinter dem bürokratischen Akt auftat“, sagt Denise Pissors.

Es sind viele Lebensgeschichten, die bei ihr über den Tisch gehen. Als eine von bundesweit rund 4.300 Versichertenberaterinnen und Versichertenberatern hilft Denise Pissors auf ehrenamtlicher Basis ihren Nachbarn. Sie beantwortet Fragen rund um die Rentenversicherung, nimmt Anträge auf und lässt die gegenwärtigen Rentenansprüche berechnen. Für die Tätigkeit gibt es kein Gehalt, nur eine Entschädigungszahlung und Fahrgeld, falls Hausbesuche nötig sind. „Viele, die zu mir kommen, sind mit dem Ausfüllen der Formulare überfordert“, erzählt die 42-Jährige. Das habe auch damit zu tun, dass viele der älteren Generation mit dem Computer nicht so gut zurechtkommen. „Seit es den elektronischen Rentenantrag gibt, geht das Ausfüllen mit meiner Hilfe recht zügig.“

Viel Dankbarkeit kommt zurück

Denise Pissors

Was zurückkommt, ist die Dankbarkeit der Menschen. Es ist ein tolles Gefühl, wenn man helfen kann.
Denise Pissors

Hauptberuflich arbeitet Denise Pissors als Bezirksleiterin bei der DAK-Gesundheit, der ältesten gesetzlichen Krankenkasse. An ihr Ehrenamt kam sie durch Zufall: Ihre Vorgängerin bei der Krankenkasse war Versichertenberaterin. „Als ich ihre Position übernahm, hieß es: Dann übernimm doch auch mein Ehrenamt“, erinnert sie sich. „Und ich dachte mir: Warum eigentlich nicht?“ Die Kinder waren aus dem Gröbsten raus, über das Amt hatte sie nur Gutes gehört. Also ließ sie sich bei der Sozialwahl 2017 aufstellen, wurde gewählt und ist seit gut einem Jahr Ansprechpartnerin der Versicherten ihrer Region. „Was zurückkommt, ist die Dankbarkeit der Menschen“, sagt sie. „Es ist ein tolles Gefühl, wenn man helfen kann.“

In die juristischen Fragen hat sie sich schnell hineingefuchst, zumal sie durch ihren Beruf das Sozialversicherungsrecht bereits kannte. Bei der einwöchigen Einführungsschulung lernte sie prompt eine Kollegin aus dem Nachbarkreis kennen. „Da hat sich eine Freundschaft entwickelt“, so Denise Pissors.

„Wir tauschen uns regelmäßig aus und teilen uns die Sprechzeiten im Rathaus Ahrensfelde.“ Alle 14 Tage ist sie dienstags dort, stellt Anträge auf Altersrente und Hinterbliebenenrente. Eine halbe bis eine dreiviertel Stunde benötigt sie für einen Antrag – „wenn das Rentenkonto vollständig geklärt ist“, betont sie.

Joachim Picha

Auf der Suche nach einer sinnvollen Beschäftigung klapperte ich die Ehrenamtsbörsen ab.
Joachim Picha

200 Kilometer Richtung Norden, an der Ostseeküste, waltet ein ebenfalls 2017 gewählter Kollege seines Ehrenamtes: Hans­ Joachim Picha, 66, ist selbst ein Betroffener. Nachdem seine Frau starb, sah sich der Rentner nicht nur mit der Einsamkeit konfrontiert, sondern auch mit jeder Menge freier Zeit. „Auf der Suche nach einer sinnvollen Beschäftigung klapperte ich die Ehrenamtsbörsen ab“, erzählt der Rostocker, der zuvor 23 Jahre lang als Berater einer privaten Rentenversicherung gearbeitet hatte. Als er von dem Ehrenamt des Versichertenberaters erfuhr, war er gleich Feuer und Flamme – zumal er durch seinen Beruf einen guten Zugang zu dem Thema hatte: „Schuster, bleib bei deinen Leisten“, habe er sich gedacht.

Sein Wissen zahlt sich nun für seine Nachbarn in der Stadt Rostock aus, die ihn anrufen können, wenn sie seine Hilfe brauchen. Pro Monat bearbeitet er etwa acht Rentenanträge. Dabei achtet er darauf, dass er vor allem Menschen beisteht, die Hilfe auch nötig haben. „Wenn jemand schon vom Fach ist oder jemand in seinem Kreis hat, der sich mit Rentenrecht auskennt, dann muss er nicht zu mir kommen.“

Wie auch Denise Pissors empfindet er die Dankbarkeit der Menschen als die eigentliche Honorierung seiner Tätigkeit. Im März war er auf Fortbildung nahe dem idyllischen Kloster Chorin in der Mark Brandenburg, um sich in Sachen Sozialversicherungsrecht auf den aktuellen Stand zu bringen. Rentenregelungen verändern sich schnell, siehe Flexirente oder Mütterrente. Seit ein Reporter der örtlichen Zeitung bei ihm war, wissen alle Nachbarn Bescheid, was er tut. „Werbung muss ich nicht machen“, winkt Picha ab.

Auch Denise Pissors ist nach einem Jahr in ihrer Nachbarschaft recht bekannt. Menschen grüßen sie auf der Straße, immer öfter erlebt sie neue Verknüpfungen. Kürzlich war ihr Schornsteinfeger zur Beratung bei ihr. Früher oder später, so zeigt die Erfahrung vieler Versichertenberater, kommen sie alle.

Autor: Mirko Heinemann / Quelle: Dieser Beitrag ist in der Kundenzeitschrift „Zukunft jetzt“ auf den Regionalseiten der Deutschen Rentenversicherung Bund erschienen, Ausgabe
2/2019.