Peter Weiß, Bundeswahlbeauftragter für die Sozialversicherungswahlen, im Interview
„Ich möchte für die soziale Selbstverwaltung werben“

15.12.2021
Herr Weiß, könnten Sie uns Ihr Aufgabenfeld umreißen?
Meine erste und wichtigste Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, dass die nächsten Sozialwahlen erfolgreich durchgeführt werden und möglichst viele Menschen ihre Stimme abgeben. Nach einer Gesetzesänderung in der letzten Legislaturperiode soll der Bundeswahlbeauftragte aber nicht nur die Sozialwahl vorbereiten, sondern darüber hinaus auch für soziale Selbstverwaltung werben. Auch diese Aufgabe möchte ich gern mit ganzer Kraft ausfüllen. Es ist wichtig, den Versicherten den Wert der Selbstverwaltung ihrer Sozialversicherung zu vermitteln.
Sie hatten bereits Einblick in die Selbstverwaltung. Welchen Eindruck haben Sie gewonnen?
Ich habe engagierte, fachkundige und selbstbewusste Selbstverwalterinnen und Selbstverwalter kennengelernt und konnte viele Anregungen für meine politische Arbeit mitnehmen. Mein Ziel ist: Die Erfolge der Arbeit der Selbstverwalterinnen und Selbstverwalter sollten noch bekannter werden. Dafür werde ich mich einsetzen.
War die jüngst verabschiedete Reform der Sozialwahlen dazu ein richtiger Schritt?
Auf jeden Fall bin ich sehr froh, dass wir diese Reform durch das Parlament gebracht haben. Erstmals können wir bei den Krankenkassen im Rahmen eines Modellversuchs Online-Wahlen durchführen. Gelingt der Versuch, kann damit hoffentlich auch die Wahlbeteiligung gesteigert werden. Und die Rentenversicherung kann aus den Erfahrungen lernen, wenn bei ihr dann bei den darauf folgenden Sozialwahlen auch online gewählt werden kann. Vielleicht wird die Sozialwahl dadurch sogar zum Prototyp für andere Wahlen in Deutschland.
Was hat die Reform außerdem gebracht?
Ein wichtiger Aspekt ist die Frauenquote. Die Hälfte aller Versicherten sind Frauen. Schaut man sich aber die Gremien an, sind sie unterrepräsentiert. Mit der kommenden Sozialwahl hoffe ich, dass ihr Anteil deutlich gesteigert wird. Künftig werden außerdem Fortbildung und Freistellung der Selbstverwalterinnen und Selbstverwalter gefördert. Das ist ein Zeichen dafür, dass wir bereit sind, in Qualifizierung zu investieren. Dazu kommt die Senkung des Unterschriftenquorums, um die Vielfalt zu stärken und die Pflicht, Listen vor der Wahl zusammenzulegen, um die Transparenz zu erhöhen.
Was haben Sie sich persönlich für Ihre Amtsperiode vorgenommen?
Zunächst einmal gilt es zu testen, inwieweit die beschlossenen Neuerungen den gewünschten Erfolg bringen. Ich werde gemeinsam mit meiner Stellvertreterin, Daniela Kolbe, eine Evaluierung durchführen und auf der Grundlage der Ergebnisse entsprechende Reformvorschläge ausarbeiten. Ich persönlich glaube, dass man dabei auch die Rechte der Selbstverwaltung stärken sollte. Dazu aber ist das Wählen wiederum ein wichtiger Aspekt. Es ist wie ein System kommunizierender Röhren: Um die Sozialwahl und die Selbstverwaltung zu stärken, müssen meiner Überzeugung nach mehr direkte Wahlen stattfinden. Und wir brauchen natürlich auch eine hohe Wahlbeteiligung bei der Sozialwahl, um der Selbstverwaltung den Rücken zu stärken, damit sie sich wirkungsvoll für die Interessen der Beitragszahler und der Rentnerinnen und Rentner einsetzen kann.
Die nächsten Sozialwahlen finden 2023 statt. Was kommt danach?
Ich sehe es als Chance, dass ich als erster Bundeswahlbeauftragter die Aufgabe wahrnehmen darf, über die gesamte Amtszeit hinweg für die soziale Selbstverwaltung zu werben. Dieser Aufgabe möchte ich mich gerne mit ganzer Kraft widmen und dafür auch neue Ideen entwickeln.
Herr Weiß, zum Schluss noch die Frage: Warum sollte ich als Versicherter meine Stimme bei der Sozialwahl abgeben?
Über die Sozialwahl kann ich als Versicherter die Sozialversicherung mitgestalten. Ich zeige hier, dass dies meine Versicherung ist und bestimme mit, wie meine Beiträge verwendet werden. Jeder und jede, der und die nicht will, dass wir ein letztlich allein von Ministerien diktiertes Soziales Sicherungssystem bekommen, sollte bei der Sozialwahl seine Stimme abgeben und damit die Selbstverwaltung stärken.