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14.12.2020

Viele Patienten mit Demenz werden mit Psychopharmaka ruhiggestellt, obwohl diese Medikamente ihnen mehr schaden als nutzen. Diese Bilanz zieht der neue Demenzreport, der von der Universität Bremen in Zusammenarbeit mit der hkk erstellt wurde. Das Sozialparlament der hkk zeigte sich besorgt und forderte Veränderungen, insbesondere einen anderen Umgang mit Arzneimitteln und eine Verbesserung der Pflege. 

Wie der Report zeigt, erhielt fast jeder dritte an Demenz erkrankte männliche hkk-Versicherte im Zeitraum eines Jahres mindestens einmal ein Psychopharmakon verschrieben, in den meisten Fällen ein sogenanntes Neuroleptikum. Diese Mittel werden üblicherweise bei Schizophrenie und Psychosen angewandt. Es sei jedoch nicht belegt, dass diese Medikamente Verhaltensstörungen bei den Betroffenen positiv beeinflussen, erklären die Autoren der Studie. Vielmehr gebe es Hinweise, dass sie bei Demenzerkrankten das Risiko von Herzinfarkten, Schlaganfällen und Lungenentzündungen erhöhten und zu einem rapiden Verfall der kognitiven Leistungsfähigkeit beitragen könnten.

Vertretbar sei eine Anwendung von Neuroleptika nur kurzfristig und nur dann, wenn die Betroffenen ohne entsprechende Medikation eine unbeherrschbare Gefährdung für sich oder andere darstellten. Verschrieben würden diese Arzneimittel allerdings in vielen Fällen, weil sich die Pflegenden überfordert fühlten – Familienangehörige ebenso wie professionelle Pflegekräfte in Heimen, in denen es oft an Personal mangele. Zweifellos sei es extrem belastend, wenn zum Beispiel ein dementes Familienmitglied, das zu Hause gepflegt wird, jede Nacht Kinder und Eltern aufweckt. Der Demenzreport empfiehlt dennoch dringend, anstelle von Neuroleptika bevorzugt Antidementiva einzusetzen. Diese Mittel seien zwar nicht unumstritten, sie erhöhten aber die Chance, das Fortschreiten der Demenz hinauszuzögern.

Menschen mit Demenz einfach ruhigzustellen, sei keine langfristig akzeptable Strategie, erklärt auch Roland Schultze, alternierender Vorsitzender des Verwaltungsrates der hkk. „Die Erkrankten sollen ihre Würde bewahren und so lange wie möglich auch ihre Erinnerungen an ihre frühere Lebenszeit. Es ist unser aller Ziel, dass sie möglichst ihre Alltagsfertigkeiten nicht einbüßen. Dafür braucht es vor allem eine individuelle Pflege, zum Beispiel mehr Ergotherapie. Mit Bewegung, richtiger Ernährung, Kommunikation und Beschäftigungsmöglichkeiten bieten sich Chancen, die Herausbildung von Alzheimer­demenz zumindest zu verlangsamen.“ Der Demenzreport zeige hingegen auf, dass der Anteil von an Demenz erkrankten hkk-Versicherten, die mit Neuroleptika ruhiggestellt wurden, über die Jahre sogar angestiegen ist, sagte Roland Schultze. „Damit dürfen wir uns als Vertreter der Versicherten nicht abfinden.“